Verzehr von Hundekot kann Früh- und Totgeburten bei Kühen zur Folge haben.
17.04.2025 07:24
Ein Häufchen mit Folgen
Ein Parasit im Hundekot führt zu Aborten bei Kühen - vielen Hundehaltern ist das nicht bewusst
Ein Hundehaufen kann Leben kosten. Was vielen Hundehaltern als Lappalie erscheint, ist für ungeborenen Kälber tödlich: Der Parasit Neospora caninum aus Hundekot kann Fehlgeburten auslösen – mit emotionalen und finanziellen Folgen für die Landwirtschaft.
Region «Ich hab ihn im hohen Gras nicht gefunden» oder «Der Robidog war schon voll.» Ausreden wie diese hat wohl jeder Hundebesitzer schon einmal benutzt – sei es gegenüber anderen oder um sich selbst zu beruhigen. Dass jemand anderes später mit diesem Hundehaufen unter der Schuhsohle weitergeht, ist das eine. Doch was viele nicht wissen: Hundekot kann ernsthafte Folgen für Kühe haben. Denn in manchen Fällen enthält der Kot den Parasit Neospora caninum, der bei Rindern zu Fehl-, Früh- oder Totgeburten führen kann. «Bis zu zwei Jahre bleibt der Erreger auf der Weide aktiv», erklärt Benji Pogorzelski, Tierarzt an der Klinik Stockrüthi. Gelangt der Parasit über den Verdauungstrakt der Kuh in die Plazenta, kann er das ungeborene Kalb infizieren – mit schwerwiegenden Folgen. Zwar sei die Zahl der gemeldeten Fälle in ihrer Klinik in den letzten Jahren rückläufig, wie Pogorzelski berichtet, doch das bedeute keineswegs Entwarnung. Wenige lassen die Totgeburten untersuchen «Die Dunkelziffer ist vermutlich hoch», ergänzt Josef Rusch, Tierarzt aus Kreuzlingen. Die Diagnostik sei aufwendig:«Der Kopf des toten Kalbs muss abgetrennt und ins Institut für Parasitologie in Zürich gebracht werden. Eine einfache Blutprobe reicht nicht aus.» Und die Kosten? Die trägt der betroffene Betrieb selbst. Nicht wie bei vielen anderen Diagnostiken, die das Veterinäramt übernimmt. Und selbst wenn ein Abort aufdenParasitenzurückgeführtwerden kann, bringt das den Landwirtinnen und Landwirten wenig. Die logische Konsequenz wäre, die Tiere nicht mehr weiden zu lassen – doch das lässt sich kaum umsetzen. Viele Betriebe nehmen an Förderprogrammen wie «RAUS» teil, bei denen die Kühe in der Weidesaison eine bestimmte Anzahl Tage draussen verbringen müssen. Die Folge: Die Ursache vieler Fehlgeburten bleibt ungeklärt – und der Parasit ein stiller Mitläufer auf der Wiese. Für Tierärzte wie Pogorzelski und Rusch ist es unverständlich, dass manche Hundehalter den Kot ihrer Tiere nicht einsammeln. «Vielen ist schlicht nicht bewusst, was für Konsequenzen ihr Verhalten haben kann», so Pogorzelski. Aufklärungsei deshalb entscheidend.
Infotafeln sind nicht genug
Jürg Fatzer,GeschäftsführerdesVerbands Thurgauer Landwirtschaft, kennt das Problem aus Gesprächen mit Landwirten. Immer wieder ist Hundekot Thema – erst kommt der Ärger, dann die Sorge. Denn die Bäuerinnen und Bauern sind dem VerhaltenderHundehalter ausgeliefert. Erst kürzlich wurde auf dem Nachbarhof von Fatzer ein Kalb tot geboren – infiziert mit Neospora caninum. Die Mutterkuh trägt den Erreger womöglich weiterhin in sich und könnte künftige Föten erneut anstecken. «Wir stellen Hinweisschilder zur Verfügung, auf denen über den Parasiten informiert wird», sagt Fatzer. Doch ob das reicht, sei fraglich. Auch dem Verband sind die Hände gebunden. Deshalb richtet sich Fatzers Appell direkt an die Hundehalter: «Es geht um gesunden Menschenverstand.»
Der Schaden ist nicht nur emotional – erist auch wirtschaftlich erheblich. Laut einer Studie verlieren Landwirtinnen und Landwirte schweizweit jährlich mehrere Millionen Franken durch Totgeburten oder geschwächte Kälber. Kosten, die sie nicht den Hundehaltern verrechnen können. In einer weiteren Studie wurden über 400 Aborte untersucht: Bei 21 Prozent der toten Kälber wurde der Parasit im Gehirn nachgewiesen. Die Zahlen zeigen: Eine Seuche die gut beobachtet werden muss.
Wissen fehlt oft
Norma Binder, Leiterin der Hundeschule «Sitz» in Weinfelden, bietet die obligatorischen Hundekurse an. Das Thema Parasiten sei darin bislang nicht vorgesehen. «Wir gehen davon aus, dass den Teilnehmenden klarist, dass Hundekot nicht auf die Wiese gehört», so Binder. Sie befragte daraufhin 20 Hundebesitzerinnen und -besitzer. Einige wussten, dass Hundekot schädlich sein kann – aber nicht warum. Andere hatten davon gehört, wenige konnten konkrete Zusammenhänge nennen. Manche brachten Gegenargumente wie: «Und was ist mit Fuchskot?» Oder verwiesen auf Tierärzte, die eine Gefahr angeblich verneinten. Binders Fazit: Die Mehrheit ist sich der möglichen Folgen nicht bewusst. Nun überlegt sie, das Thema in den Kursen künftig gezielt anzusprechen. Auch Flavia Gabriel vom Kynologischen Verein Kreuzlingen sieht Handlungsbedarf. «Das Aufnehmen von Hundekot ist ein Dauerthema. Niemand gibt es gern zu, aber fast alle haben schon einmaleinHäufchenliegenlassen»,sagt sie. In den Kursen gehe man oft davon aus, dass dieses Verhalten selbstverständlich sei. Doch das sei wohl ein Irrtum – denn Unwissenheit führt dazu, dass viele gar nicht so genau hinschauen, wenn ihr Hund sich erleichtert.
Von Desirée Müller