Nach 100 Tagen im Amt erklärte Ruth Faller Graf am Kreuzlinger Gewerbe-Lunch ihre Aufgaben im Regierungsrat. Bild: Nico Wrzeszcz
09.10.2025 08:51
«Was macht eine Regierungsrätin den ganzen Tag?»
Die Neu-Regierungsrätin Ruth Faller Graf zieht nach 100 Tagen im Amt Bilanz und erzählt, was sie bisher erlebt hat
Diese Frage musste sich Ruth Faller Graf nach ihrem Amtsantritt als Regierungsrätin von ihrer Mutter stellen lassen. Die Antwort darauf ist umfangreicher, als man vermutet.
Kreuzlingen Seit dem gestrigen Mittwoch sind die 100 Tage nun erreicht. Am Kreuzlinger Gewerbe-Lunch vom vergangenen Donnerstag befand sich Ruth faller Gaf noch in der «Probezeit», wie ihre Regierungskollegen die ersten 100 Tage der Amtszeit nennen. «Es ist quasi ein Heimspiel für mich hier in Kreuzlingen», erklärte sie in der Stadt, in der sie bis zu ihrer Wahl in den Regierungsrat als Präsidentin am Bezirksgericht Kreuzlingen tätig war.
Jeden Dienstag Sitzung
Zum 1. Juli 2025 trat sie ihr Amt an, das zur Wahl gestandene Departement für Justiz und Sicherheit sei der Ausschlag für ihre Kandidatur gewesen. «Eigentlich hat die Justiz in der Politik nicht viel verloren. Für dieses Departement habe ich jedoch eine Ausnahme gemacht. Im Nachhinein eine gute Entscheidung.» Mit dem Departement Justiz und Sicherheit habe sie das grösste Departement mit 13 verschiedenen Ämtern übernommen, darunter die Grund-buch- und Notariatsverwaltung, die Staatsanwaltschaft, die Kantonspolizei oder auch das Schiffsregisteramt. Die Regierungsratssitzungen finden immer am zweiten Tag der Woche statt. «Im Regierungsrat kämpfen wir nicht primär für die Ziele unserer Parteien, es geht viel mehr darum zu entscheiden, was für den Kanton Thurgau am besten ist. So werden die Entscheide immer von allen mitgetragen», betonte Faller Graf. Dazu finden jeden zweiten Mittwoch die Sitzungen des Grossen Rats statt, zuletzt am WEGA-Montag in Weinfelden. «Nicht wenige waren mindestens genau so lange an der WEGA wie die Sitzung dauerte.» Dazu kämen noch interkantonale und regionale Gremien.
Bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft werde immer mehr im Verbund Ostschweiz zusammengearbeitet, berichtet sie weiter. «Gerade bei Cyber-Delikten gibt es oft keine klaren kantonalen Grenzen. Daher ist es wichtig, dass wir mit den Kantonen St. Gallen, Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden, Schaffhausen und teilweise auch Graubünden zusammenarbeiten.» Dazu gelegen komme auch die Polizeischule in Amriswil.
Polizei vor Reformen
«Im Departement habe ich die Aufgabe, die jeweiligen Amtsleiter etwas zu führen. Dazu bin ich in Kommissionen unterwegs, wie etwa beim Militär, der Feuerwehr oder dem Zivilschutz.» Aktuell solle das Besoldungs- und Beförderungsreglement der Kantonspolizei refomiert werden. Hier herrsche grosser Handlungsbedarf, könne man doch aktuell mit dem Kanton Zürich nicht mithalten. «Es ist in der Tat so, dass uns Polizisten in Richtung Zürich verlassen, weil dort besser bezahlt wird.
Erfreulich ist, dass diese Polizisten auch wieder zurückkommen.» Zudem könne man sich jederzeit auf die Unterstützung der Kantonspolizei Zürich, unter anderem bei Ausweisungen, verlassen. Auch im Datenschutzgesetz stehe eine Revision an, um sich an EU-Richtlinien anzupassen. «Das ist wichtig im Rahmen des Schengen-Abkommens. Dazu muss auch gesagt werden, dass der Austausch mit den Nachbarländern Deutschland und Österreich besser funkioniert als mit manch anderen Kantonen.»
Herausfordernde Jahre
Aktuell stünden die Unternehmen durch die 39 Prozent-Zölle der USA enorm unter Druck, auch wenn es im Thurgau durch die vielen KMU noch etwas entspannter ist. Diese Situation gelte es im Auge zu behalten. «Hinzu kommt, dass sich der Thurgau im Jahr 2026 verschulden muss. Aber hier sind wir dran zu erfassen, welche Aufgaben auf uns zu kommen. Zudem gilt es zu entflechten, was Bundesaufgaben und was kantonale Aufgaben sind», so Ruth Faller Graf. Investitionen seien weiterhin wichtig, wie etwa in die Infrastruktur oder in die Schulen. «Für uns in der Regierung kommt es darauf an, Prioritäten zu setzen und bei Bedarf Aufgaben anders zu bewältigen. Auch wir bleiben nicht vom Fachkräftemangel verschont, befinden uns aber auf einem guten Weg,» so Ruth Faller Graf abschliessend.
Von Nico Wrzeszcz