Thomas Müller, Dr. iur., Rechtsberatung
Muss ich ohne Lohn am Weiterbildungskurs teilnehmen?
Frage: Im kommenden Januar führt unser Betrieb ein neues Computersystem ein. Die ganze Belegschaft muss am Freitag und Samstag vor der Einführung an einer Schulung teilnehmen, um die neue Software kennen zu lernen. Die Kurskosten übernimmt der Arbeitgeber. Der Chef verlangt jedoch, dass wir Angestellten für den Kurs den Samstag «opfern». Die Teilnahme am Kurs soll also nicht als Arbeitszeit gelten. Dies stösst vielen Mitarbeitern sauer auf. Ist eine solche Anordnung überhaupt zulässig? In meinem Arbeitsvertrag habe ich dazu nichts gefunden.
Antwort: Die Anordnung Ihres Chefs widerspricht der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz, wo klar steht: «Muss sich ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin auf Anordnung des Arbeitgebers fortbilden, dann stellt die dafür aufgewendete Ausbildungszeit Arbeitszeit dar.» Das bedeutet, dass die Teilnehmenden des Weiterbildungskurses Überstunden leisten. Und Überstunden sind laut Gesetz durch Lohn oder Freizeit abzugelten, sofern dies im Arbeitsvertrag oder im dazugehörigen Reglement nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird.
Da Ihr Arbeitsvertrag zum Thema Überstunden keine Regelung enthält, muss Ihnen der Betrieb für den Kurs-Samstag den üblichen Lohn zahlen. Nicht nur das: Sie und Ihre Arbeitskolleginnen und -kollegen haben sogar Anspruch auf einen Zuschlag von 25 Prozent. So will es das Obligationenrecht. Als Alternative sieht das Gesetz aber auch die Möglichkeit vor, dass sich beide Seiten auf eine Kompensation durch Freizeit einigen. Dann könnten Sie als Ausgleich für den Samstag an einem anderen Tag frei nehmen. Wie gesagt, müssten damit aber beide Vertragsparteien einverstanden sein. Sonst bleibt nur die erwähnte Variante mit der finanziellen Abgeltung.
Thomas Müller, Dr. iur.
Niederneunforn TG
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