Bei der ersten Probe kannten sich die meisten Singenden nicht, doch es harmonierte wunderbar.
zVg
27.05.2025 00:00
99 Stimmen – Wenn eine ganze Region singt
Die erste Probe fand statt - 70 der insgesamt 95 Sängerinnen und Sänger nahmen teil
In Ermatingen formiert sich ein Chorprojekt der besonderen Art: Drei Chöre, fast hundert Stimmen – offen für alle, die singen wollen. Mitinitiator Peter Dransfeld erzählt von der Entstehung, der ersten Probe und dem Ziel, ein verschiedene Dörfer zum Klingen zu bringen.
Ermatingen «Das Chorprojekt 99 Stimmen ist ausserordentlich», sagt Peter Dransfeld, Sänger im Männerchor Ermatingen und Mitinitiator des Projekts. Und ausserordentlich ist nicht nur der Name, sondern auch die Idee dahinter: Die drei Chöre aus Ermatingen und Salenstein – der Männerchor, der evangelische Kirchenchor und der Chor Salenstein am Arenenberg – bündeln ihre Kräfte. Gemeinsam mit Sängerinnen und Sängern aus fünf Dörfern und der ganzen Region arbeiten sie auf ein gemeinsames Ziel hin: ein grosses Konzert am 13. September 2025 in der Kirche Ermatingen. Vor Kurzem fand die erste gemeinsame Probe statt. Von den 99 erhofften Stimmen, stimmten bereits 70 in die Lieder ein. Angemeldet sind mittlerweile 62 Sängerinnen und Sänger und 37 Projektsängerinnen und Projektsänger. «Den wohl grössten Chor entstehen zu sehen, den unsere Region je hatte, ist ein aussergewöhnliches Erlebnis. Das hat etwas Beflügelndes», beschreibt Dransfeld das Gefühl, das ihn seit Beginn des Projekts trägt.
Jede Stimme zählt
Die Projektgruppe startete Anfang des Jahres mit der Suche nach Sängerinnen und Sängern – öffentlich, über Medien, soziale Netzwerke, Flyer und Plakate, aber auch durch persönliche Kontakte im Umfeld der Chormitglieder. Ein Auswahlverfahren gab es nicht: «Willkommen ist jede und jeder, der Freude am Singen hat.» Dass viele dennoch bereits Chorerfahrung mitbringen, sei ein schöner Bonus – aber keine Voraussetzung. «Wir haben niemanden ausgeschlossen», betont Dransfeld. «Auch wenn manche sich unsicher waren, in welcher Stimme sie singen sollen, oder sich mit ungewohnten Liedern schwergetan haben – wir haben alle integriert. Unsere Dirigentin Rebecca Heudorfer hat das souverän und motivierend gelöst»,er zählt er vom ersten Zusammenkommen.
Die erste gemeinsame Probe war ein besonderer Moment. «Erstmals rund 70 Stimmen gemeinsam zu hören, zu erleben, wie Leute, von denen sich viele nicht kannten, schon in der ersten Probe vierstimmig Lieder singen – das war bewegend», erzählt Peter Dransfeld. Derzeit zählt der Projektchor bereits 95 Stimmen – eine beeindruckende Zahl, die in kürzester Zeit erreicht wurde. Obwohl keine aktive Werbung mehr läuft, könnten noch einzelne geübte Männerstimmen dazustossen. «Es gibt laufend einzelne An- und Abmeldungen. Realistischerweise rechne ich für das Konzert mit 90 bis 100 singenden Stimmen.»
Ein bewegender Auftakt
Die Probe begann mit einer kurzen Begrüssung, dann folgte das Einsingen – und direkt im Anschluss die Arbeit an drei Liedern, zuerst in Stimmgruppen, dann gemeinsam. Die Atmosphäre war geprägt von gespannter Vorfreude und gegenseitiger Neugier. «Die jüngste Sängerin war 13, der älteste 93 – eine junge Frau brachte sogar ihr Baby mit. Viele kannten sich nicht, aber alle waren gut gelaunt.» Natürlich gab es auch Unsicherheiten – nicht jede Stimme war sofort sicher, nicht jeder kannte das Repertoire. «Die Lieder sind für alle neu – sie gehören nicht zum gewohnten Repertoire der drei Chöre. Manche wussten nicht, ob sie Sopran, Alt, Tenor oder Bass singen sollten.» Doch bereits in der ersten Probe sei ein starkes Gemeinschaftsgefühl entstanden. «Viele führten angeregte Gespräche, manche zogen nach der Probe gemeinsam in die Beiz. Auch dort wurde weitergesungen – ganz in der Tradition des Männerchors.»
Was jetzt zählt: konzentriertes Proben und gemeinsame Freude
Aktuell liegt der Fokus ganz auf dem Probenprozess: wöchentliche Proben im Singsaal der Primarschule Ermatingen, jeweils abwechselnd am Montag, Dienstag oder Mittwoch. Zusätzlich ist im Mai ein intensiver Probesamstag geplant, um die Aufführungsreife zu erreichen.
Musikalisch begleitet wird das Konzert von einer regionalen Band mit Christoph Fischer, James Wehrli, Marco Silvestri sowie einem Pianisten. Alle Musiker stammen aus der Region – genauso wie der Chor. Das Repertoire umfasst 18 Lieder aus fünf Jahrhunderten – von Brahms bis Beatles, vom Volkslied bis zum Schlager, gesungen in vier Sprachen. Die musikalische Leitung teilen sich Martina Junker, Rebecca Heudorfer und Ellena Stadtherr. «Wenn man das Walliserdeutsch als eigene Sprache zählt, sind es sogar fünf», ergänzt Rebecca Heudorfer lachend. «Wir möchten möglichst viele Menschen mit der Musikauswahl ansprechen», sagt Martina Junker.
Wirkung über das Konzert hinaus
Peter Dransfeld hofft, dass das Projekt auch nachhaltige Wirkung zeigt: «Natürlich würden wir uns freuen, wenn nach dem Konzert einzelne Sängerinnen oder Sänger bei einem unserer Chöre bleiben.» Tamara Müller, Präsidentin des Chors Salenstein, ergänzt: «Unsere Chöre sind so verschieden – es gibt für jede Stimme den passenden Stil. Wir werden uns nicht um Mitglieder streiten.» Ein Prozent der Bevölkerung der fünf Gemeinden singt derzeit aktiv in einem Chor. «Da ist noch Luft nach oben», sagt Dransfeld. Dass Musik verbindet, sei spürbar: «Der gute Geist, den wir erleben, kommt vom Singen. Musik verbindet – vom ersten Moment an.»
Männer können sich gerne noch melden. www.99stimmen.ch
Desirée Müller