07.09.2023 09:01
SBW mit Leuchtturmprojekten
Das Haus des Lernens engagiert sich international
Resilienz unterrichten statt Kopfrechnen und lernen, die richten Fragen an die «AI» zu stellen, statt zu wissen wie hoch das Hörnli ist – die SBW Haus des Lernens (SBW) mit dem Talent-Campus Bodensee (TCB) in Kreuzlingen ist bekannt dafür, Grenzen zu sprengen und neu zu denken. Eine solche neue grenzenüberschreitende Idee ist auch das Programm «Cubertin meets Dunant». In der neu geschaffenen Stiftung mit gleichem Namen werden gleich zweiLeuchtturmprojekte vereint. Wir haben Gründer Reto Ammann getroffen.
Kreuzlingen Mit Leidenschaft das Potenzial aus geflüchteten Jugendlichen «rauszuholen» und dadurch die Integration in der Schweiz zu stärken – das ist einer der Ansätze von «Cubertin meets Dunant» - passend benannt nach den beiden Gründervätern der Olympischen Spiele und des Internationalen Roten Kreuzes. Bereits in der Schweiz gemeldete junge Flüchtende sollen, falls das Potenzial für einen grossen sportlichen Traum vorhanden ist, auch gefördert werden. Dazu braucht es nicht mehr Geld wie sonst bereits ausgegeben wird, nur eine andere Zuteilung. Die Idee dahinter, wer gut in etwas ist, wird schneller integriert und kann seine Träume verwirklichen.
Eine «riesen Büez», laut Reto Ammann. «Von Migrationsämternund Bildungsämtern, von Bundesbern bis Kantonen sind, in dem Prozess etliche Stellen involviert.» Alleine einen Flüchtling in einen anderen Kanton zu übersiedeln und dem aufnehmenden Kanton Thurgau dafür einen anderen weniger zuzuordnen sei ein administratives Projekt. Die Grundidee stösst in der Verwaltung aber auf viel Goodwill und ist vom SEM (Migrationsamt in Bern) als Leuchtturmprojekt bezeichnet worden. Eine Schülerin mit Flüchtlingshintergrund am Talent Campus Bodensee in Kreuzlingen führt aktuell das Pionierprojekt an, und das mit Erfolg.
Potenzial bei Geflüchteten
Ammann rechnet mit einem Potenzial von ca. zehn jungen Geflüchteten in der Schweiz, welche über das Rüstzeug verfügen, erfolgreich eine Sportkarriere angehen zu können, respektive in die Strukturen von Swiss Olympic reinzukommen – mit der richtigen Förderung. Bis zu Bundesräten ging die Diskussion, die Feedbacks durchs Band positiv. Der SBW-Kopf arbeitet hierfür mit Swiss Olympic zusammen und weiteren internationalen Verbänden wie dem IOC oder UNHCR, welche allesamt gleich an Bord waren. Entstanden ist die Idee 2016 als Reto Ammann die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Rio im TV verfolgte. Im damals neu gegründeten IOC Refugee Olympic Team, liefen 11 Athletinnen und Athleten ein – von insgesamt 11 Tausend. «Ich rief Jürg Stahl an, Präsident von Swiss Olympic», so Ammann. Die im Verhältnis gesehen sehr überschaubare Gruppe an Sportlerinnen und Sportler mit Flüchtlingshintergrund sei zwar ein schönes Zeichen, doch Olympionike wird man ja nicht über Nacht. Uns interessierte, ob das IOC auch ein Youth Olympic Programm hatte.
Mit Erlaubnis des IOC war das Youth Olympic Refugee Team geboren, mit Start im TCB. Und so fiel der Startschuss für das Projekt, das kürzlich zur Stiftung umgewandelt wurde. «Es läuft sehr gut an, braucht aber noch Zeit und Geduld» Der Kreuzlinger managt all dies nebst dem Schulbetrieb von 18 Lernhäusern natürlich nicht alleine, sondern gemeinsam mit seinem Team, auch wenn man zu spüren glaubt, dass es auch personell eine Herausforderung ist, das viel an Leidenschaft brauch
Es gibt keine Zufälle
Die fast noch unglaublichere Idee des Programmes Coubertin meets Dunant will in einem zweiten Programm einen kleinen Beitrag leisten in dem es junge Menschen aus Ländern zusammenführt, welche derzeit weniger Kontakt oder gar einen Konflikt miteinander haben. Und das erneut durch die Leidenschaft zum Sport. Entstanden ist die Idee als Reto Ammann vor ein paar Jahren einen Beitrag über ein Tanzprojekt mit Strassenkindern des Tanzpädagogen Royston Maldoom auf Youtube entdeckte. Über Umwege und einem riesigen Zufall - auch wenn es laut Ammann keine Zufälle im Leben gibt - kontaktierte ihn der Initiant des Projektes ein Jahr später und realisierte mit den Schülerinnen und Schülern der SBW sowie der Bach-Stiftung St.Gallen ein eigenes Tanzprojekt. Über diesen lernte Reto Ammann wiederum das Projekt von Daniel Baremboim kennen, den Gründer eines weltweit bekannten Orchesters, dessen Musikerinnen und Musiker jeweils zur Hälfte aus Arabern und Israelis besetzt ist. Die Nationen über die Musik zueinanderzuführen ist bei diesem Projekt der Grundgedanke. Hier machte es «klick» bei Reto Ammann. Ein ähnliches Konzept müsste doch auch im sportlichen Umfeld umsetzbar sein.
Nationen zusammenführen
«Wir möchten beispielsweise Nord- und Südkoreanische Eishockeyspielerinnen oder Handballer nach Kreuzlingen bringen, sie im selben Zimmer einquartieren und sie durch positive gemeinsame Erlebnisse zu Botschaftern in ihren Ländern machen», macht Ammann ein Beispiel. Iranische und israelische Volleyballspielerinnen- und Spieler sollen in der Schweiz zwei Wochen trainieren können, sich austauschen in einem neutralen Umfeld, so wie es nur die Schweiz bieten kann. Über den Sport sollen die sich entfremdenden Nationen wieder zusammenfinden, und das sehr niederschwellig. Die positiven Erfahrungen werden nach der Rückkehr idealerweise auch nach Aussen oder «Innen» getragen. Auch hier arbeitet die Stiftung mit diversen nationalen und internationalen Sportverbänden zusammen. Ausserdem ist man neben dem Bundesamt für Sport (BASPO) auch bereits im Kontakt mit dem Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) über das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco). «Aktuell stellen wir ein zweiwöchiges Programm für die teilnehmenden Nationen zusammen, welches ab Sommer 2024 umgesetzt werden soll», so Reto Ammann. Zur Zeit werden Sponsoren gesucht, weltweit Verbände kontaktiert und Networking betrieben. Man merkt, dass es sich dabei neben der SBW/TCB um ein weiteres Herzensprojekt von Ammann handelt. «Entschuldige bitte, dass ich so ins Schwärmen komme», sagt der CEO und atmet einmal tief durch. Er ist mit Leib und Seele dabei.
Ein weiteres Leuchtturmprojekt also, welches zwar viel Arbeit mit sich bringt, doch wie das Flüchtlingsprogramm die Philosophie der SBW für alle Kinder und Jugendichen widerspiegele. «Mit Leidenschaft kann man viel bewegen und für Einzelne wirklich zum Change Maker oder gar Game Changer werden. Man muss nur mutig sein und neues wagen.»
Von Desirée Müller