Trotz verpasstem Sieg gab es an der Rangverkündung strahlende Gesichter unter den Orchestermitgliedern. Reto Bollinger
21.06.2023 08:20
39 Sekunden vom Sieg entfernt
Das Symphonische Blasorchester Kreuzlingen ist um eine kuriose Geschichte reicher
Die acht besten Blasorchester der Schweiz trafen vergangenen Samstag, 17. Juni, im KKL Luzern in einem freundschaftlichen Wettstreit aufeinander. Mit dabei war auch das Symphonische Blasorchester Kreuzlingen, welches wegen 39 Sekunden den Sieg verpasste.
Kreuzlingen/Luzern Es gilt als das grösste Blasmusikfestival der Welt: Alle fünf Jahre kommt die Schweizer Blasmusikszene am eidgenössischen Musikfest zusammen, um sich in verschiedenen Schwierigkeitsgraden vor einer Jury zu messen. Coronabedingt musste dieses Fest 2021 ersatzlos gestrichen werden. Um diese zehnjährige Flaute zu überbrücken, wurde für Orchester der höchsten Stärkeklasse kurzerhand der «Lucerne Symphonic Wind Band Contest» (LSWBC) ins Leben gerufen. Vergangenen Samstag, 17. Juni, trafen sich nun die besten Blasorchester der Schweiz im KKL Luzern, um ihr Können unter Beweis zu stellen. Mit dabei war auch das Symphonische Blasorchester Kreuzlingen (SBO), welches am vergangenen Eidgenössischen Musikfest 2016 in Montreux bewiesen hatte, dass es ganz oben mitspielen kann.
Die Konkurrenz am LSWBC war dann auch hochkarätig: Aus allen Ecken der Schweiz wie Bern, Zürich, Freiburg und St. Gallen reisten insgesamt acht Höchstklass-Orchester an, um gegeneinander anzutreten. Die Erwartungen der Mitglieder des «kleinen» Kreuzlinger Vereins waren deshalb bescheiden. «Das Beste geben und den Auftritt in vollen Zügen geniessen» war die Parole, welche Dirigent Stefan Roth in der Hauptprobe verkündete. Die Gelegenheit im «Salle Blanche», dem eindrücklichen Konzertsaal des Luzerner KKL zu spielen, war schon Erlebnis genug. Nichtsdestotrotz hatte sich das SBO über ein Jahr lang akribisch auf den 50-minütigen Auftritt vorbereitet. An Konzerten und der Teilnahme am Kantonalen Musikfest Thurgau konnte das SBO ihre zwei ausgewählten Stücke schon einmal einem Publikum und einer Jury vortragen. Die Rückmeldungen waren da schon sehr positiv und so ging das rund 85-köpfige Orchester guten Mutes in den Luzerner Wettbewerb hinein.
Die Spielzeit voll ausgereizt
Mit «Mosaici Bizantini» vom Schweizer Komponisten Franco Cesarini eröffneten das SBO im knapp 2000 Plätze fassenden Konzertsaal ihren Auftritt. In drei Sätzen beschrieben sie dabei mit Englischhornklängen, Trompetensoli und fulminanten Basslinien die byzantinischen Mosaike, welche in den Kirchen von Venedig und Palermo zu sehen sind. Dann kam das eigentliche Meisterstück für das Orchester: «Symphony No. 4» vom amerikanischen Komponisten David Maslanka. Ein eigenwilliges und schwer fassbares Werk, welches dennoch auf eigentümliche Weise berührt. Die knapp 1000 Takte hatten dem Kreuzlinger Blasorchester in den Probearbeiten viel Schweiss und Geduld abverlangt. Davon war aber wenig zu spüren, die Musikerinnen und Musiker genossen ihren Auftritt in vollen Zügen und liessen sich von ihrem Dirigenten Roth durch Waldhornklänge, Choräle und Saxofon Soli führen. Freudestrahlend und zufrieden wurde die Bühnenzeit so lange wie nur möglich ausgekostet. Ein Umstand, welcher dem Orchester zum Verhängnis werden sollte. Der Jubel war gross, als die Moderatorin bei der Preisverleihung den vierten Rang für das SBO verkündete. Die Rangierung im vorderen Mittelfeld ist für das grösstenteils aus Laien bestehende Orchester Erfolg genug.
Ganz vorne mit dabei
Doch ein Nebensatz liess aufhorchen: Das Orchester habe 39 Sekunden zu lang gespielt, was einen Punkteabzug zur Folge hatte. Auf dem Luzerner Europaplatz begann innerhalb der Festgemeinschaft die Rechnerei und der anschliessende Jurybericht gab die Bestätigung: Das SBO hat von der Jury 97 von 100 Punkten erhalten und hätte ohne die fünf Punkte Abzug den ersten Rang belegt! «Ganz realisieren kann ich dieses Ergebnis noch nicht und erwartet hatte ich es noch viel weniger», wandte sich Dirigent Roth anschliessend sein Orchester, «und es tut mir leid, dass ich überzogen habe.» Übel nahm ihm das langsam gewählte Tempo niemand. Auf der Heimfahrt überwog die Freude, unter der Leitung von Roth innerhalb von gut zehn Jahren zu einem der besten Blasorchester in der Schweiz aufgestiegen zu sein. Und für das Eidgenössische Musikfest 2026 in Interlaken lässt der diesjährige Erfolg für das SBO aufhorchen.
Emil Keller